Trauer, so lautet das 37. Thema des 52 Games-Projekts. Trauer, wieder so ein alltäglicher Begriff, von dem ich nicht so recht weiß, was er denn nun genau heißt. Gibt es einen Unterschied zwischen Trauer und Traurigkeit, soll heißen: empfindet man Trauer nur beim Tod eines Sympathieträgers? Ist Trauer über das Ableben eines verehrten Prominenten auch noch Trauer, oder eher Enttäuschung? Oder erlebt man gar jedesmal, wenn man traurig ist Trauer? Eine Wikicherche sagt mir: "Der Begriff Trauer bezeichnet die durch ein betrübendes Ereignis verursachte Gemütsstimmung". Demnach ist also jedes Unglücklichsein Trauer. Das finde ich ein bisschen zu schwammig. Hach, es ist nicht einfach. Für mich ist in meinem persönlichen Sprachgefühl der Begriff Trauer jedenfalls durchaus mit Tod verbunden, also werde ich auch über diese Art von Trauer schreiben.
Das ist allerdings gar nicht so einfach, denn Videospiele bringen mich, im Gegensatz zu Filmen und Serien, nicht zum Trauern. Immer wieder hört man, dass Gamern das Herz brach, als in irgendeinem der etlichen Final Fantasy-Teile irgendsoeine Frau oder ein Mädchen oder eine Blume (?) umgebracht wurde. FF habe ich, wie aus dem Satz eben vielleicht herauszulesen ist, nie wirklich gespielt, besagte Szene habe ich folglich auch nie erlebt, aber selbst wenn, ich hätte nicht getrauert. Ein weiteres Beispiel, wo Trauer und Videospiele gerne mal in einem Atemzug genannt werden, ist die Silent Hill-Reihe. Die habe ich gespielt. Teilweise. Teil 3 nämlich. Zum Teil. Aber Teile 1 und 2 habe ich dank Game One auch durcherlebt, wenn auch nur passiv. In Silent Hill, so scheint mir, stirbt in jedem einzelnen Teil jemand, um den es einem als Spieler leid tun soll. Meh! Diese komische Krankenschwester, zum Beispiel, vor der man kurz vorher noch gar nicht wusste, ob man ihr trauen soll, und dann soll man nicht nur trauen, sondern auch trauern? Oder der Vater in Teil 3. Den haben wir noch nie vorher gesehen und selbst in der entscheidenden Szene zeigt man uns nicht mal sein Gesicht. Da ist mir doch wurscht, dass diese mir vollkommen unbekannte Person aufgehört hat zu leben. [Ja, die Sache mit dem Gesicht ist ein erzählerisches Mittel, damit der Spieler nicht frühzeitig erfährt, dass es sich um Harry Mason handelt. Für'n Arsch! Wer Silent Hill 1 nicht gespielt hat, würde ihn ohnehin nicht erkennen und wer es gespielt hat, dem ist das zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich eh schon klar. Abgesehen davon wird diese so krampfhaft hinausgezögerte Enthüllung gerade mal ein paar Minuten später in der nächsten größeren Cutscene auf höchst unspektakuläre Weise nachgeklatscht.] Nennt mich nun kalt oder stumpf, aber solche Tode sind mir weitestgehend schnuppe. Und das liegt nicht daran, dass ich die Spiele nicht selbst gespielt habe, selbst daddelnderweise erlebte Videospieltode liegen da schnuppetechnisch auf der gleichen Stufe. Ich habe zwei Erklärungen dafür, warum mich sowas kalt lässt. Verrohung, Abstumpfung oder Gefühlsarmut sind keine davon, denn im wahren Leben musste ich, meines Erachtens, schon viel zu viele Beerdigungen mitmachen, und glaubt mir, ich kann Trauer empfinden! Und wie!
Erklärung Nummer eins ist, dass in Spielen, in denen Freunde, Alliierte oder Familienmitglieder sterben, in der Regel auch getötet wird. Durch mich als Spieler. Ich renne also durch die Spielwelt und metzele Zombies, Monster, Schatten, feindliche Soldaten oder sonstwas en masse um. Dazu wäre ich nicht in der Lage, würde ich den Tod im Videospiel wirklich als ein Lebensende auffassen, und nicht als das bloße Ende der Animation einer Pixelgruppe. Warum also sollte ich esdann plötzlich ganz furchtbar finden und trauern, wenn zu den vielen, vielen "Toden" die ich herbeigeführt habe noch ein mir wohlgesonnener Blutstropfen auf den heißen Stein hinzuspritzt? Klar, zu Videospielen gehört es, dass einen das Spiel an der emotionalen Hand nimmt und einen auf eine Gefühlsreise mitnimmt. Aber doch nur bis zu einem gewissen Maß. Ein Spiel ist nur ein fiktives Spiel, dessen bin ich mir immer bewusst und allzu große emotionale Involviertheit entsteht so nicht. Das ist es übrigens, was diese ewigen Mahner mit ihren "Killerspielen" nicht verstehen.
So ganz kann Erklärung Nummer eins meine Unberührtheit bei Toden aber nicht erklären. Denn, wie eingangs erwähnt, treiben mir Filme öfter als mir lieb ist das Wasser in die Augen, obwohl ich ja auch da weiß, dass es sich um Fiktion handelt. Was also ist der Unterschied zwischen Filmen und Videospielen? Ich glaube, und das ist meine Erklärung Nummer zwei, dass ich bei Videospielen, anders als weitläufig angenommen, eben durch die große Nähe zum Spielgeschehen, das ganze als noch fiktiver wahrnehme als Film und Fernsehen. Ich gestalte die Geschichte mit. Wenn ich einen Knopf drücke reagiert mein Spielcharakter, wenn nicht dann eben nicht. Okay, das macht das Ganze schon irgendwie realitätsnäher als Filme, bei denen man keinerlei Einfluss auf "seine" Umwelt hat ud irgendwie klingt das alles nicht mehr ganz so schlüssig wie gestern, als ich diesen Text anfing, aber so ein bisschen hab ich schon auch recht. Im wahren Leben bin ich nunmal kein Held, weder ein belatzthoster Klempner, noch der Commander einer interplanetaren Raumkampftruppe und schon gar kein miniberocktes Findelkind gottesmütterlicher Abstammung. Das heißt, mir ist stets bewusst, ob in Film oder Spiel, dass es sich bei diesem Protagonisten nicht um mich handelt. Wenn ich nun, wie im Film, die Geschichte dieses Protagonisten vorgesetzt bekomme, ohne auf seine Handlungen Einfluss nehmen zu können, dann kann ich mich wenigstens der Illusion hingeben, dass mir da gerade aus dem Leben eines Fremden erzählt wird, zu dem ich genug emotionale Bindung aufbauen kann, um mit ihm mitzufühlen. In Videospielen wird mir immer wieder vorgegaukelt, das sei ich da auf dem Bildschirm, und jedesmal wieder denkt es in mir mehr oder minder bewusst "Nö, gar nicht wahr!". Das schafft immer wieder aufs Neue Distanz und nimmt mir die Fähigkeit, wahre Empathie zu entwickeln. Vielleicht ist das aber auch alles fulminanter Kuhdung und die Gründe liegen ganz woanders, wer weiß das schon. Hat dieser ganze, lange Text also nix rumgebracht und ein spezielles Spiel, wie eigentlich erwünscht, habe ich auch nicht besprochen. Dann muss ich mein Verständnis für den Begriff Trauer wohl doch erweitern.
In meinem heutigen Beitrag zu 52 Games geht es also um Super Mario Kart. Das würde ich gerne mal wieder spielen, besonders denn Battlemodus mit ein paar menschlichen Mitspielern. Geht aber nicht, weil mein SNES nicht mehr funktioniert und ich hier sowieso keine Daddelkumoanen habe. Das macht mich traurig. Fertig.
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