Mittwoch, 19. Januar 2011

Wikipoem VI

Wikipoem V hat es innerhalb einer Woche unter die Top 5 meiner bisherigen Posts geschafft, schön! Ami-Bashing scheint als Besuchermagnet zu fungieren. =)
Mal gucken, ob ich auch ohne Kritik an den US of A ein wenig Aufmerksamkeit erdichten kann, auch wenn mich das heutige Thema wieder vor eine recht schwierige Aufgabe stellt...
Jeden Mittwoch schreibe ich für Euch ein Gedicht zum Thema des jeweiligen Artikel des Tages der deutschen Wikipedia-Seite.
Thema heute: Der Morteratschgletscher


By Daniel Schwen (Own work) [CC-BY-SA-2.5], via Wikimedia Commons
Es gibt wohl kaum ein Wort, das unlyrischer ist als Morteratsch, die Legende hinter dem Namen hat aber was für sich, interessanter als der Gletscher an sich ist sie allemal, daher habe ich sie als Fokus des heutigen Wikipoems auserkoren. Das Gedicht ist recht lang geworden, daher beginnt der Lesegenuss erst nach dem Sprung.




Bäurin sucht Mann

Es war einmal ein schweizer Senn,
Aratsch, so war sein Name,
der lernte die Annetta kenn',
schenkte sein Herz der Dame.

Auf einem Fest trafen sie sich,
auf einer rechten Sause.
Vergnügten und verliebten sich,
auch ohne Inka Bause.

Doch trübte eins ihr Liebesglück:
er war ein armer Hirte,
Annetta war, als Gegenstück,
Tochter reicher Landwirte.

So trafen sie sich heimlich nur,
geheim musste es bleiben,
versteckten sich in Wald und Flur
um es dann dort zu treiben.

Es nützte nichts, es kam heraus,
dass sich die zwei vergnügten,
es tobte laut das Elternhaus,
sie schimpften und sie rügten.

Der Aratsch flehte: "Seid so gut
und gönnt uns uns're Liebe!
Ich bin ein Mann von Edelmut."
Da setzte es Stockhiebe.

"Uns ist egal, wer ihr gefällt!",
sprachen Annettas Alten,
"'s darf nur ein Mann mit Ruhm und Geld
um ihre Hand anhalten!"

Aratscha brauchte also Geld,
so wollte es der Brauch,
das große Pech für unser'n Held:
noch gab's kein Günther Jauch.

Der beste Weg zu dieser Zeit
schnell Kohle ranzubringen,
war: man erklärte sich bereit
die Feinde umzubringen.

Er kämpfte gut, nach ein'ger Zeit,
da war er reich und Hauptmann.
Er freute sich: "Es ist soweit,
dass ich zu meiner Braut kann!"

Er ritt bei Tage und bei Nacht,
gönnte sich keine Pause,
hatte viel Zeit allein verbracht,
jetzt wollte er nach Hause.

Mit großer Freude kam er an,
die wurd' ihm schnell verdorben,
denn dort erzählte man ihm dann:
Annetta war gestorben.

"Sie wartete bei Tag und Nacht
auf irgendeine Nachricht,
die Sorge hat sie umgebracht,
denn Nachricht von Dir kam nicht."

Das schmerzte Aratsch bitterlich,
sein Schmerzensschrei verhallte
doch blieb der Schmerz; er stürzte sich
in eine Gletscherspalte.

Nun waren also beide Tod,
doch hörten seither Sennen
vom Abend- bis zum Morgenrot
Anettas Geistes Flennen.

"Mort Aratsch!"* war ihr Klagelaut,
mit dem sie sie heimsuchte,
ein Hirte hasste Gänsehaut,
weshalb er sie verfluchte.

Das störte aber wiederum
des toten Aratschs Geist,
die Alp hat dieser dann darum
voll heißer Wut vereist.

Dort sieht man heut' nicht Kuh, noch Kalb,
und auch kein Bachgeplätscher.
Heut' thront, wo einst die grüne Alp,
nur der Morteratschgletscher.

So war es damals, lasst uns nun
anwenden unser Wissen,
was gegen's Poleschmelzen tun
und einen Geist anpissen!
*"Aratsch ist tot!"

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