Donnerstag, 16. Februar 2012

52 Games: Natur


Das Blogprojekt 52 Games vom Zockwork Orange geht in die dritte Runde, und diese Woche gilt es, sich etwas zum Thema Natur einfallen zu lassen.

Ursprünglich hatte ich geplant, über Sim City zu schreiben, bei dem ich grundsätzlich lieber ein bisschen cheate, um genug für ausreichend Wind- und Solarkraftwerke zu haben, als mir ein stinkendes Kohle- oder ein tickendes Atomkraftwerk in mein schönes Spottawa zu setzen. Allerdings wäre das ja eher zum Thema "Umwelt" passend, außerdem musste ich beim Spielen zum Zweck der Screenshot-Sammlung in den letzten paar Tagen feststellen, dass ich trotz Windparks und Grüngürteln miserable Umweltwerte in meiner Stadt hatte.

Als Alternative fiel mir Minecraft ein, ein Spiel, in welchem es einfach viel zu viel Natur gibt. So viel, dass ich mich gerne mal verlaufe und als einzigen Weg, zurück zu meiner "Basis" zu gelangen den Sprung von einem hohen Turm zwecks Respawn in Campnähe, zu Wählen gezwungen werde. Aber viel mehr als diesen Schachtelsatz hätte ich dazu auch nicht zu Sagen gehabt.

Was ist eigentlich Natur? Wikipedia sagt:
Natur (lat.: natura, von nasci „entstehen, geboren werden“, grch. semantische Entsprechung φύσις, physis, vgl. „Physik“) bezeichnet als Vorstellung alles, was nicht vom Menschen geschaffen wurde.
Nennt mich einen hoffnungslosen Romantiker, aber wenn ich Natur höre, denke ich immer an idyllische Berglandschaften, kristallklare Bergseen und dicht gewachsene Wälder. Nennt mich unromantisch, aber wenn ich an diese Idylle denke, denke ich im nächsten Schritt automatisch an Isolation, an Schutzlosigkeit und an Hüttenkoller. Nennt mich Filmfreak, aber dieses Szenario lässt mich zwangsläufig an The Shining denken. Und nun nennt mich Captain Obvious, aber von The Shining ist es nur noch ein gedanklicher Katzensprung zu einem der bestesten und atmosphärischsten Spiele der letzten Jahre, das ich mir eigentlich für ein anderes Thema, von dem ich sicher bin, dass es noch drankommen wird, aufheben wollte:




Alan Wake, ein gefeierter Thriller-Schriftsteller, fährt mit seiner Freundin in das beschauliche Örtchen Bright Falls, um seine Schreibblockade zu überwinden. Doch schon kurz nach dem Eintreffen in ihrem Ferienhaus auf einer Insel inmitten eines von Bergen umgebenen Sees verschwindet nicht nur Wakes Freundin auf mysteriöse Art und Weise, sondern auch besagte Insel samt Blockhaus.


Auf der Suche nach einer Erklärung und vor Allem natürlich seiner Freundin schlägt sich Alan Wake nun einsam durch unberührte, dicht bewachsene, nächtliche Wälder und trifft dabei auf Kreaturen aus seiner eigenen Phantasie, die ihm gehörig ans Leder wollen.


Zumindest war das in meiner Erinnerung so, je mehr ich mich im Zuge dieses Blogposts mit Alan Wake befasste, desto klarer wurde mir, dass es in dem Spiel viel mehr Menschen, mehr Zivilisation und mehr Zeichen des Eingreifen des Menschen in die Natur gab, als bei mir in Erinnerung geblieben sind. Aber geht es bei Videospielen nicht gerade darum, was sie in uns als Spieler für Bilder, Assoziationen und Emotionen erzeugen? Das, was nach dem Durchzocken im Spieler hängenbleibt, das ist es, was ein Game ausmacht.

Und was Alan Wake in mir erzeugte war ein Gefühl das meiner Vorstellung vom sogenannten Cabin Fever ziemlich nahe kam: Unruhe, Paranoia, das Gefühl, niemandem trauen zu können und eben auch die Umpolung der idyllischen Natur in etwas latent aber permanent Bedrohliches. Die nüchtern betrachtet tendentiell eher negativ zu bewertenden von Menschenhand geschlagenen Wunden der Natur wurden zu meinem besten Freund. Hier gab es Munition, Medizin, Taschenlampenbatterien und vor Allem eines: Schutz vor der bösen Natur da draußen.


Alan Wake verstand es wunderbar, den Spieler zu packen, ihn in die Rolle des am Rande des Wahnsinns stehenden Helden zu versetzen und dessen Verwirrung auf den Spieler zu übertragen. Mehr und mehr verschwimmen im Laufe des Spiels Fiktion und Realität, Wirklichkeit und Wahn. Denn nicht nur schaffen es die Gegner im Spiel aus Wakes Schriftwerken in sein Leben, auch der umgekehrte Weg wird beschritten: Während seiner Suche nach seiner Freundin findet Wake immer wieder Manuskriptseiten, die zweifellos aus seiner Feder stammen, die geschrieben zu haben er sich aber nciht erinnern kann. In ihnen wird genau das beschrieben, was der Spieler gerade durchlebt – Alan Wake wird zum Bestandteil seines eigenen Schreibens.

Bald weiß man als Spieler nicht mehr, was man da gerade spielt: ist es die "Wirklichkeit", ist es ein Traum, spielt man einen Roman nach oder bewegt man sich lediglich in den Wahnvorstellungen eines psychisch Kranken? Wem kann man trauen? Kann man sich selbst trauen? Diese Orientierungslosigkeit des Spielers wird im Game großartig umgesetzt. Nie ist man Herr der Lage, oft ist die Flucht tiefer in den dunklen Wald die bessere Wahl als sich den (seinen?) Dämonen zu stellen. Immer wieder wird man aus dem Spielgeschehen herausgerissen und gezwungen, sich zu fragen, was hier eigentlich gerade passiert, und ob es überhaupt wirklich passiert. Und damit nicht genug, diese Momente, in denen man sich von Alan Wake entfremdet fühlt, sind es, in denen man sich am wohlsten und sichersten fühlt: es ist Tag, die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und die Natur ist das was sie sein sollte: idyllisch und friedlich. Diese unklare Verworrenheit von Wirklichkeit und Fiktion, von Identifikation und Dissoziation mit dem Helden, von Idylle und Gefahr, sie ist es, was Alan Wake auszeichnet. Das, und die Natur: beschauliche Szenerie und Schauplatz des Schreckens.



3 Kommentare:

  1. Toll das noch jemand ALAN WAKE zu diesem Thema ausgesucht hat.

    Toller Artikel!!!!

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    1. Danke schön!

      Ich hätte auch nicht gedacht, dass außer mir noch jemand Alan Wake als Thema auswählt, aber nun sind wir ja schon zu dritt mit diesem Game. Interessant aber auch, dass auch die anderen Spiele, die mir sonst so eingefallen wären (Sim City, Red Dead Redemption...) auch von anderen behandelt wurden. "Natur" scheint ein Konsensthema zu sein. ;)

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  2. Schöner Artikel und sehr wahre Worte! Alan Wake war toll!

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