Donnerstag, 31. Mai 2012

Muss das denn sein?/ Ain't No Homo Gonna Make It To Heaven

In letzter Zeit hatte ich hier relativ viele Einträge, die sich mit dem Thema Homosexualität befassten und eigentlich wollte ich das Thema erst einmal ein wenig ruhen lassen.  Aber was soll ich machen, wenn derzeit so viel dazu durch's Internet geht? Zum Beispiel zeigen die beiden wohl erfolgreichsten Comicverlage DC und Marvel Regenbogenflagge. DC will demnächst einen, so sagen sie, prominenten Superhelden outen und im Marvel-Universum heiratet X-Man Northstar seinen langjährigen Partner. Zyniker mögen nun unterstellen, dass sei alles reines Marketing und Mittel zum Zweck des Aufsehen Erregens. Kann sein, unwahrscheinlich ist ein solcher Hintergedanke sicherlich nicht. Aber um Aufsehen zu erregen hätten sie genausogut die andere Seite der Debatte wählen können und beispielsweise einen Schokoladenonkel-Superschurken einführen können, der kleine Jungen in seinen schäbigen Unterschlupf entführt oder so... Die Tatsache, dass Homosexualität nicht verteufelt, sondern als Bestandteil des Lebens, auch jenes der Superhelden, gezeigt wird, ist schon ein Statement, da können sie von mir aus dabei auch auf die Kohle schielen.


Und diese Statements rufen Reaktionen hervor. Die weit unter eine Millionen Sittenwächterinnen von One Million Moms, zum Beispiel, rufen zum Boykott der schändlichen Comicverlage auf. Doch nicht nur die Helen Lovejoys der wahren Lebens, sondern auch durchaus comic-affinere Menschen finden Anstoß an dem Einzug eines Quäntchens Realität in die Welt der Superhelden. Auf Minds Delight kann man das im Kommentarbereich zu entsprechenden Posts sehr gut nachlesen. Unter Marcos Beitrag zu der schwulen Hochzeit im Marveluniversum zum Beispiel findet man den Kommentar:
"… und die Frage, die sich einem stellt: Muss das denn sein?"
Nun will ich dem Einen, dem sich diese Frage stellt, keine ausgewachsene Homophobie unterstellen, dafür sagt der Kommentar, abgesehen von dem Mitschwingenden Naserümpfen zu wenig aus und aus seinem Tumblr voller fernöstlicher Lolitas ("This Tumblrlog contains: 28% Asian/ Japanese girls, 28% cosplaying girls [...]") lässt sich lediglich erahnen, dass es sich vermutlich nicht um einen schwulen Mann handelt. Aber eine gewisse Xenophobie meine ich da schon herauszulesen. Vielleicht ist es ja einer jener Menschen, die "nichts gegen Schwule" haben, "solange sie mir ihre Sexualität nicht unter die Nase reiben" (28% Asian/ Japanese girls, 28% cosplaying girls). Man weiß es nicht und es ist auch egal, denn die oben gestellte Frage drängt sich offensichtlich nicht nur ihm auf. Also nehmen wir sie mal ernst. 

Eine mögliche Antwort auf die Frage wäre "Was, außer Essen, Trinken, Atmen u.ä. muss schon wirklich sein?", was ein implizites "Nein, aber es kann" bedeutet. Sicherlich nicht die schlechteste Antwort, die ich unter Umständen auch geben würde, wenn da nicht dieses Video wäre, dass jüngst im Internet auftauchte:


Ein kleiner Junge singt während irgendeiner kirchlichen Veranstaltung vor der versammelten Gemeinde:
"The Bible's right, somebody's wrong.
The Bible's right, somebody's wrong.
Romans one, twenty six and twenty seven;
Ain't no homos gonna make it to Heaven."
An dieser Stelle springt die Gemeinde auf und jubelt dem Kleinkind zu. Und mir wird schlecht. Nun hat zwar jeder das Recht auf seine eigene Meinung und auch das Recht jene kundzutun. Allerdings halte ich es für ausgeschlossen, dass es sich hierbei um die Meinung des Jungen handelt. Ein Kind in seinem Alter hat noch keine adäquate Vorstellung von Geschlechtern, weder von seinem eigenen, noch dem anderer, und schon gar kein Verständnis von Sexualität. Es ist offensichtlich, dass der Junge von seinen Eltern oder seinem Priester oder wem auch immer, instrumentalisiert und indoktriniert wurde. 

Jetzt könnte man sich zwar sagen, dass es wahrlich, gerade in letzter Zeit, schlimmere homophobische Ergüsse gab ("Homosexuelle mit Elektrozaun einpfärchen", "Der Staat sollte Homosexuelle töten") und dass es einem egal sein kann, ob irgendwo im tiefsten Amerika (traurigerweise in Greensburg, Indiana, wo im Herbst 2010 der Selbstmord eines mutmaßlich homosexuellen Jugendlichen Schlagzeilen produzierte) ein kleiner Junge glaubt, dass Schwule in seinem hypothetischen Nachleben keinen Platz haben. Man könnte es sehen wie die Toten Hosen und sagen "Ich will nicht in's Paradies, wenn der Weg dorthin so schwierig ist!". Aber hinter dem Liedtext steckt ja so viel mehr, als die Überzeugung, dass Schwule nach dem Tod nicht mit den nackten, goldlockigen Wonneproppen mit Flügeln und Heiligenschein spielen dürfen. In dem Lied steckt Ausgrenzung, Abwertung und Verachtung, die die jubelnde Gemeinde mit Scherheit nicht für das Jenseits aufspart, sondern ihre Mitmenschen schon zu Lebzeiten spüren lässt.

Solange es solche Menschen gibt, die ihre Kinder dermaßen hasserfüllt großziehen, sie für ihre eigenen Schmutzkampagnen missbrauchen und so schon die nächste Generation von Arschlöchern heranzüchten, solange sage ich mit dem Brustton der Überzeugung: Ja, das muss ein! Schwule Superhelden müssen sein! Und schwule Tatort-Kommisare! Und offen schwule Fußballprofis! Und das ganze dann nochmal in lesbisch! Und in Transgender! Ich rufe: Her mit den Superhelden in hohen Lackstiefeln, buntem Ganzkörperspandex und wallender Mähn– Oh, schon gut..!

Höchstwahrscheinlich werden die Eltern des kleinen Chorknaben ihrem Sohn Ausgabe 51 von Astonishing X-Men nicht zum Lesen anbieten, aber vielleicht seine Freunde, oder weniger abscheuliche Eltern ihren Kindern... Irgendwelche Kinder werden das Lesen und ein offeneres Weltbild entwickeln. Und wenn nicht, schaden wird's jedenfalls keinem, und aufknüpfen wird sich deswegen auch niemand!

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